Magistrale für Europa – Fernverkehr, Nahverkehr oder was dazwischen?
Linienplan ABS 38 Ausbaustrecke Mühldorf/Inn - Freilassing
Im Eisenbahnverkehr gibt es die Unterscheidung Nahverkehr und Fernverkehr. Nahverkehr wird definiert mit ca. 70 Kilometer im Umkreis zu einem Oberzentrum. Fernverkehr, der als eigenwirtschaftlicher Verkehr verstanden wird, ist alles über 70 Kilometer hinaus. Während diese Zeilen geschrieben werden, sitzt der Autor im Railjet auf dem Weg von Salzburg zum Arbeitsplatz in Linz.
ICE-Zug zwischen Passau und Wels
ICE-Zug zwischen Passau und Wels in Maximiliansau bei Grieskirchen auf zweigleisiger elektrifizierter gerader Strecke
ICE-Zug zwischen Passau und Wels
ICE-Zug zwischen Passau und Wels in Maximiliansau bei Grieskirchen auf zweigleisiger elektrifizierter gerader Strecke
ICE-Zug zwischen Passau und Wels
ICE-Zug zwischen Passau und Wels in Maximiliansau bei Grieskirchen auf zweigleisiger elektrifizierter gerader Strecke
ICE-Zug zwischen Passau und Wels in Maximiliansau bei Grieskirchen auf zweigleisiger elektrifizierter gerader Strecke
Diese Strecke hat 127 Kilometer. Ist das Fernverkehr, ist das Nahverkehr oder ein Pendlerverkehr irgendwo dazwischen? Karl-Dieter Bodak von der DB-AG hat vor vielen Jahren die eleganten und komfortablen Züge für die deutschen Inter-Regio geschaffen. Mit der flächendeckenden Einführung der ICE-Züge in Deutschland, wobei „flächendeckend“ relativ ist, wurde die Zuggattung IR (InterRegio) wieder abgeschafft. Das war sicher ein Fehler!
RailJet, der neue InterRegio?
„Nächster Halt Neumarkt-Köstendorf“ hört man bereits kurz nach der Abfahrt des RailJet aus Salzburg Richtung Wien. Das sind gerade einmal 24 Kilometer und das hat eindeutig nichts mit „Fernverkehr“ zu tun. Das wäre eine Distanz, die sogar für den InterRegio zu kurz wäre. Der RailJet als Nachfolger der früheren InterCity-Züge ICVC hält auf der 313 bzw. 330 Kilometer langen Strecke Salzburg – Wien in Neumarkt-Köstendorf, Vöcklabruck, Attnang-Puchheim, Wels, Linz, St.Valentin, Amstetten, St. Pölten, Tullnerfeld, Wien-Meidling, Wien Hbf. und Wien Flughafen. 12 Halte auf ca. 330 Kilometern bedeutet alle 27 Kilometer einen RailJet-Halt. Das hat definitiv nichts mit „Fernverkehr“ zu tun; das liegt näher beim „Nahverkehr“ als beim InterRegio! Offensichtlich gibt es da ein Bedarf zwischen Nah- und Fernverkehr!
„Regio-Verkehr“ zwischen Nah- und Fernverkehr?
Für die Bundesländer finanzieren und organisieren den „Nahverkehr“ als sogenannte „“gemeinwirtschaftliche Leistungen“ für die Mobilität der Pendler. Grundsätzlich gibt es eine Wechselwirkung zwischen Fernverkehr und Nahverkehr. Eigentlich müsste man dazwischen einen sogenannten „“Regio-Verkehr“ definieren, der die mittelgroßen Städte, abseits der Landeshauptstädte, verbindet, also “Inter Regio“, die ihrerseits die Verkehrsdrehscheiben als Nahverkehrsknoten für den regionalen Bahn- und Busverkehr darstellen. Gemeint sind die Städte ab 10.000 Einwohnern entlang der Eisenbahn-Hauptstrecken.
ÖBB Pressefoto - Thema: Werbe-Loks
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ÖBB Pressefoto - Thema: Wien Hauptbahnhof
Wien Hauptbahnhof: Bahnsteig, Außen- und Innenaufnahmen, Tag und Nacht, ÖBB Pressefoto
Breitspurbahnhof Košice-Haniska 2015
Übergabebahnhof Košice-Haniska zwischen Normalspurbahn 1435mm und russischer Breitspurbahn 1524mm Breitspurlokomotiven haben automatische Mittelpufferkupplungen, Normalspurlokomotiven haben Zug- und Stoßvorrichtung mit Puffern
ÖBB Pressefoto, Werbe-Loks, Werbung, Design Wien Hauptbahnhof: Bahnsteig, Außen- und Innenaufnahmen, Tag und Nacht, ÖBB Pressefoto Übergabebahnhof Košice-Haniska zwischen Normalspurbahn 1435mm und russischer Breitspurbahn 1524mm Breitspurlokomotiven haben automatische Mittelpufferkupplungen, Normalspurlokomotiven haben Zug- und Stoßvorrichtung mit Puffern
Internationale Eisenbahn-Magistralen verbinden Europa
Der eigentliche „Fernverkehr“ bezieht sich auf die europäischen Magistralen, weit über hunderte Kilometer hinaus. Die Diskussion über die Verlängerung der interkontinentalen Breitspur-Gütereisenbahn China – Russland – Ukraine von Kaschau (Košice-Haniska) bis nach Parndorf im Burgenland zeigt die europäischen Distanzen klar auf. Vom Groß-Güterbahnhof Košice-Haniska bis nach Parndorf sind rund 400 Kilometer, was, in etwa, der Strecke Wien bis Wörgl entspricht. Im TEN-V, dem transeuropäischen Eisenbahn-Netz, ist die Magistral 17, die „Magistrale für Europa“ Paris – Strasbourg – Stuttgart - München – Salzburg – Linz – Wien – Bratislava bzw. Budapest eine klar priorisierte Zukunftsvision.
Die Regional-Stadtbahn erweitert den Einzugsbereich zur „Magistrale für Europa“
In dieser Magistrale sind die großen Städte, mit ihren umfangreichen Nahverkehrsnetzen, der Garant für eine europaweite Mobilität der Bürger ohne Auto. Das vielzitierte Beispiel vom Baum, der von den Ästen lebt, kann kaum eindrucksvoller dargestellt werden, als am Beispiel internationaler Eisenbahn-Fernverkehr und Schienen-Personen-Nahverkehr (SPNV). Die Initiative "Magistrale für Europa" hat den Einzugsbereich der Regionen der Fernverkehrsbahnhöfe entlang der „Magistrale für Europa“ Paris – München – Salzburg – Wien – Budapest erhoben und damit ein Fahrgastpotential in den Einzugsbereichen zu den Bahnhöfen in zeitlichen Sektoren halbe, volle, zwei Stunden eruiert. Diese vom Schweizer Institut SMA+ Partner AG erstellte Studie basiert natürlich auf dem Status bestehender Systeme.
Wenn sich nun die leistungsfähigen Schienenäste in der Region in Bereiche vorwagen, die es den Einwohnern und Tourismusgästen ermöglicht, wesentlich schneller die Stadt Salzburg und den Magistralebahnhof Salzburg Hbf. zu erreichen, erweitert sich das mögliche Potential an Fernverkehrsfahrgästen mit der Bahn gewaltig, wird der Flughafen mit angebunden, natürlich auch das Potential für den internationalen Flugverkehr. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, die Anbindungen der Flughäfen Salzburg, München und Linz als Teil des Gesamtkonzeptes „Magistrale für Europa“ zu betrachten.
Als Conclusio ist demnach die Erkenntnis zu definieren, dass mit der Regional-Stadtbahn die Erreichbarkeit der internationalen Destinationen ab Salzburg, sei es Hochleistungs-Eisenbahn-Fernverkehr im Rahmen der TEN, oder über Salzburg Airport WAM, über einen Quantensprung an Qualität und Quantität erweitert werden wird.
Magistrale für Europa - Streckenbeschreibung München-Salzburg-Attnang
Hochgeschwindigkeitsstrecken, bzw. Hochleistungsstrecken, haben in Europa die Entfernungen subjektiv schrumpfen lassen. In Österreich heißt das, auf der Westbahn Salzburg – Wien „HL-Strecke“ (Hochleistungsstrecke). In Bayern nennt man den HL-Ausbau zwischen München und Freilassing ABS 38 (Ausbaustrecke). Beide sind Teil der „Magistrale für Europa“ Paris – Budapest. Beide sind Strecken, die in der Magistrale beim Ausbau Schlusslichter sind. Von Paris bis Strasbourg fahren die TGV-Züge (Train à Grande Vitesse) bereits heute 300 km/h. Von Strasbourg bzw. Kehl fahren die deutschen ICE bis Stuttgart ebenfalls bereits heute 250 km/h. Zwischen Augsburg und München wird seit der IVA 1965, damals Ellok 03, mit 200 km/h gefahren. Dasselbe gilt für Österreich, für die Strecken Attnang-Puchheim – Linz und Linz – Wien, die jeweils für 200 km/h zugelassen sind.
Europas „Langsamfahrstelle“ München – Salzburg – Attnang-Puchheim
Der Südosten Bayerns ist aus Berliner Sichtweise, dem Sitz der deutschen Bundesregierung und damit des Verkehrsministers, so etwas, wie das „verkehrspolitische Bermudadreieck Deutschlands“. Mit der Entfernung schwindet offensichtlich das Interesse am Ausbau des Schienenverkehrs im Südosten von Deutschland. Mit über 700 Kilometer nach Berlin tendiert das Interesse augenscheinlich Richtung „Null“. Der zweigleisige elektrifizierte Ausbau der Strecke München – Mühldorf/Inn – Freilassing – Salzburg für den Hochleistungs-Fernverkehr ist seit 1935, seit 83 Jahren (unglaublich: dreiundachtzig Jahre) in Dauerplanung. Der frühere Sprecher des Verkehrsforums Berchtesgadener Land Michael Behringer (+2017) hat 2005 die Frage gestellt „ABS 38 die älteste Planruine Deutschlands?“
Betrachtet man die langjährigen Versprechungen muss sich diese Frage aufdrängen. Pläne werden erstellt und verschwinden auch wieder unauffindbar. An den Staatsvertrag 1999 zwischen dem deutschen Verkehrsminister Münteferring und dem österreichischen Amtskollegen Einem über den „Donaukorridor“ kann und will sich heute niemand mehr erinnern. Da drängt sich der Vergleich zum Bermudadreieck einfach auf.
Für den Güterverkehr ins bayerische Chemiedreieck im Raum Burghausen wird zumindest die Strecke München – Mühldorf/Inn bis Tüßling ausgebaut. Von Tüßling bis Freilassing findet man heute noch veraltete Flügelsignale mit Spannwerken, wie in der Dampflokzeit vor 100 Jahren! Moderner Schienenverkehr sieht anders aus.
Zwischen Salzburg und Attnang-Puchheim rollt zwar der stärkste „Fernverkehr““ in Österreich, aber der HL-Ausbau läßt auch hier immer noch auf sich warten.
Ausspielen Nahverkehr gegen Fernverkehr
Sowohl auf der bayerischen ABS 38, als auch auf der österreichischen HL-Strecke wird als Stillstandsargument der SPNV genannt. Zumindest das sogenannte „Dritte Gleis“ Salzburg – Freilassing wurde unter dem Titel „Nahverkehr“ gebaut, obwohl es vorrangig der Streckenkapazität für den Fernverkehr dient. Das Positive dabei ist die Verbesserung des innerstädtischen SPNV in der Stadt Salzburg im Raum Mülln – Lehen – Maxglan – Taxham und Liefering bzw. zur Durchbindung der Züge aus dem Mattigtal und von Mühldorf/Inn.
Auf beiden Strecken ABS 38 und HL-Strecke ist es notwendig, diese auch für die Bedürfnisse der anrainenden Bevölkerung im Nahverkehr auszubauen. Dabei geht es natürlich um den kompromißlos durchgehenden zweigleisigen Ausbau der ABS 38, als auch um neue Haltestellen bei den Siedlungsschwerpunkten entlang der Bahn. Beides muss möglich sein, sowohl Nah-, als auch Fernverkehr, die aufeinander abgestimmt werden müssen.
Der Bevölkerung wird immer Hoffnung gemacht, aber die Realisierung läßt auf sich warten
Zeichnungen und Karikaturen zum Thema Eisenbahnen, Flügelrad etc.
Beide Streckenausbauten werden seit Jahrzehnten der Bevölkerung versprochen, aber es ist keine Realisierung in Sicht. Während halb Europa Schienenverkehre aus- und neu gebaut, herrscht in und um Salzburg Stillstand, als gäbe es noch immer eine strenge Staatsgrenze zwischen Deutschland und Österreich. Es müßte doch in der heutigen Zeit, auch in dieser Region, möglich sein, modernen Schienenverkehr zu realisieren.
Offensichtlich ist man auch in der Europäischen Union davon überzeugt, dass das Deutschland und Österreich nicht auf die Reihe kriegen. Nur so ist es zu erklären, dass man einen nördlichen Umgehungskorridor plant, der den südbayerischen Raum und das Bundesland Salzburg großräumig umgeht. Man denkt seit einiger Zeit über einen „Rhein-Donau-Korridor““ nach, der bereits von Karlsruhe über Frankfurt, Würzburg, Nürnberg, Regensburg, Passau und Linz nach Wien führen soll. Damit wird Süddeutschland, inklusive dem gesamten Großraum München, sowie der Tourismus- und Wirtschaftsraum Salzburg großräumig umgangen und abgehängt. Mit dem Zögern für eine, im europäischen Blickwinkel, relativ kurze Bahnstrecke München – Mühldorf/Inn – Salzburg – Attnang – Linz, die ABS 38 und die HL-Strecke, nimmt man in Kauf, dass ein wichtiger Teil Europas von der Zukunft der Schiene abgehängt wird.
Landrat vom Berchtesgadener Land erklärt seine Strategie den Verkehrsinitiativen
In einem Brief im Mai 2018 von Landrat Georg Grabner an das Verkehrsforum Berchtesgadener Land, zur Weiterleitung an alle anderen Verkehrsinitiativen im Zentralraum Salzburg erläutert er die Stellungnahme des Landkreises Berchtesgadener Land, die auszugsweise hier weitergegeben wird:
„Zur ABS 38 hatte der Landkreis Berchtesgadener Land in seiner Stellungnahme zum Entwurf des Deutschen Bundesverkehrswegeplanes 2030 vom 29.04.20116 eine Resolution an das Deutsche Bundesverkehrsministerium übermittelt. Diese Resolution beinhaltete nicht nur eine durchgehende Elektrifizierung, sondern auch den durchgehend zweigleisigen Ausbau der ABS 38 zwischen München, Mühldorf und Freilassing. Die durchgehende Elektrifizierung der ABS 38 ist bereits im vordringlichen Bedarf – also mit der höchsten Priorität – im Bundesverkehrswegeplan 2030 verankert. Dagegen hat ein nur abschnittsweiser zweigleisiger Ausbau zwischen Tüßling und Freilassing im Bundesverkehrswegeplan lediglich die Einstufung des potentiellen Bedarfs erhalten, mit der Option des Aufstiegs in den vordringlichen bzw. weiteren Bedarf.
Für die ABS 38 wurde in allen Planungsabschnitten bereits die Vorplanung abgeschlossen, wie der Internetseite www.abs38.de aktuell zu entnehmen ist. Beim Planungsabschnitt Tüßling-Freilassing sind die Gutachter des Bundesverkehrsministeriums noch in der Bewertungsphase, ob die Zweigleisigkeit dieses Abschnitts ggf. in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes mit aufgenommen werden könnte.
Die Elektrifizierung der ABS 38 braucht somit nicht mehr beschlossen werden, da dieser Beschluss per Verankerung im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans bereits vorliegt. Diese Abarbeitung der einzelnen Planungsphasen für die ABS 38, also Grundlagenermittlung, Vorplanung (Projekt- und Planungsvorbereitung), Entwurfsplanung (System- und Integrationsplanung), Genehmigungsplanung und Ausführungsplanung, wird realistisch betrachtet leider noch deutlich länger als bis Ende 2019 dauern.“
Weiters erklärt Landrat Grabner auch, dass an der bereits beschlossenen Elektrifizierung der Bahnstrecke München – Mühldorf/Inn – Freilassing kein Weg mehr vorbeiführt. Diesen Ausführungen des Landkreises Berchtesgadener Land schließen sich die Verkehrsinitiativen im Salzburger Zentralraum vollinhaltlich an. Zu hoffen ist nun auch, dass die Länder Salzburg und Oberösterreich sich beim Bund in Wien für den Ausbau der HL-Strecke Salzburg – Attnang-Puchheim einsetzen.